Immer wenn SEO mit Performance Marketing Kanälen in einen Topf geworfen wird bekomme ich Bauchschmerzen. Nicht weil es mich stört, wenn Performance-Marketing Agenturen SEO anbieten, oder Kunden für gutes Geld im SEO auch Ergebnisse erwarten. Ganz im Gegenteil.
Es ist mir unwohl bei dieser Ansicht, weil ich es für komplett kontraproduktiv halte, SEO mit den Instrumenten des Performance Marketings zu steuern und die Suchmaschinenoptimierung damit nicht als nachhaltige Investition in die eigene Sichtbarkeit zu sehen. Mit dieser, auf kurzfristige Ergebnisse fokussierten Sicht, verspielt man womöglich die Chance, die in der gewaltigen Return-Kraft nachhaltiger Suchmaschinenoptimierung steckt.
Daher möchte ich hier einmal darlegen, wieso es sich bei der Suchmaschinenoptimierung NICHT um Performance Marketing handelt.
Was ist Performance Marketing?
Um die Frage „Ist SEO Performance Marketing“ beantworten zu können, müssen wir uns zunächst die Definition und Geschichte des Performance Marketings ansehen: Im Gabler-Wirtschaftslexikon findet sich folgende Definition für „Performance Marketing“:
Unter Performance Marketing versteht man im Online-Bereich Marketingmaßnahmen, die beim Kunden eine messbare Reaktion, also eine Handlung, hervorrufen. Diese Handlung kann z.B. der Klick auf ein Werbebanner sein, der Kauf eines Produkts oder die Registrierung auf einer Internetseite. Der Kunde soll dabei möglichst individuell angesprochen werden; die Mittel, mit denen das geschieht, sollten möglichst miteinander vernetzt sein.
Mögliche Instrumente des Performance Marketings sind z.B. Bannerwerbung, eMail-Marketing oder Affiliate-Marketing. Mit Performance Marketing erreicht man zum einen eine Interaktion mit dem Kunden und zum anderen durch die Messbarkeit eine Transparenz bei den Kosten.
„Performance Marketing“ im Gabler-Wirtschaftslexikon (Revision vom 19.02.2018 – 13:20 Uhr – Quelle)
Im Glossar des BVDW findet sich eine etwas andere Definition für „Performance Marketing“, die aus meiner Sicht jedoch widersprüchlich ist, denn obwohl die Suchmaschinen-Optimierung (SEO) hier nicht bei den Instrumenten aufgezählt wird, versteht der BVDW Suchmaschinen-Marketing (SEM) als Klammer von SEO + SEA und zählt damit SEO zum Performance Marketing:
Performance Marketing in den digitalen Medien ist ein Bestandteil des Mediamixes und dient sowohl der Kundengewinnung als auch der Kundenbindung. Der Einsatz der verschiedenen Werbemedien verfolgt das Ziel, messbare Reaktionen und/oder Transaktionen mit dem Nutzer zu erzielen. Die Ansprache des Kunden bzw. Interessenten erfolgt sehr gezielt, nach Möglichkeit individuell, um die größtmögliche Interaktion durch den Nutzer zu erreichen. Performance Marketing versteht sich als integrierter Ansatz. Die Bestandteile sollen vernetzt zum Einsatz kommen, um so auf Handlungsweisen des Kunden bzw. potentiellen Interessenten einwirken zu können. Instrumente von Performance Marketing sind z.B.: Suchmaschinen-Marketing, Web-Marketing, E-Mail-Marketing, Affiliate-Marketing und SMS-Marketing.
Diese Definition hat die BVDW Fachgruppe Performance Marketing in der Grundüngssitzung im April 2005 festgelegt. (Quelle)
Wenn man jedoch sämtliche Definitionen und Beschreibungen des Performance Marketings betrachtet, stehen zwei Aspekte stets im Zentrum:
Messbarkeit alleine reicht nicht
Es reicht also nicht aus nur zu messen. Es müssen Marketingsaktivitäten an KPIs ausrichtet werden können. Denn jede Form des Marketing wird (und wurde schon immer) irgendwie gemessen. Selbst die Auswirkungen von Brand-Marketing (das wohl niemand zum Performance Marketing zählen würde) wurde bereits lange vor dem Internet mittels Befragungen an gestützter und ungestützter Markenbekanntheit gemessen. Dadurch ist es noch lange kein Performance-Marketing.
Es geht beim Performance-Marketing also nicht nur darum, eine messbare Reaktion, also eine Handlung, hervorzurufen, sondern um den direkten Zusammenhang von Maßnahme und Effekt, der überhaupt erst eine Optimierung hinsichtlich der Performance einer Kampagne ermöglicht. Das wird auch in Erläuterungen wie beispielsweise beim Bildungsanbieter Squared Online betont:
Durch die Anpassung verschiedener Parameter (Clicks, Gebote, Anzeigentexte, Werbemittelgestaltung etc.) kann die Effizienz der Kampagne noch während der Laufzeit beeinflusst und damit verbessert werden.
Aus „Wie funktioniert Performance Marketing?“ bei Squared Online (Quelle)
Auch in der Definition bei Online-Marketing.de wird explizit davon gesprochen, dass man eine Performance-Marketing Kampagne auf ihren Erfolg prüfen und optimieren können muss:
Setzt ein Unternehmen eine neue Online Marketing-Kampagne ein, kann diese durch das Performance Marketing mit geeigneten Kennziffern auf den Erfolg hin geprüft und anschließend optimiert werden. Durch eine stetige Performance-Prüfung lassen sich langfristig KPIs (Key Performance Indicators) für die eigenen Kampagnen ableiten.
Definition von Performance Marketing im Lexikon von Online-Marketing.de (Quelle)
In der Wikipedia findet sich noch folgende Aussage, die leider nicht direkt mit Quellen belegt ist, sich jedoch auf zahlreichen Webseiten und Fachbüchern findet.
Performance-Marketing zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
– Messbarkeit: Die Reaktionen der Zielgruppe (also z. B. eine Registrierung oder ein Kauf im Internet) sind eindeutig, zeitnah und vollständig beobachtbar und messbar.
Lemma „Performance-Marketing“ in der deutschsprachigen Wikipedia (Quelle)
– Modularität: Die Kampagne zerfällt in viele kleine Budgetmodule, die individuell buchbar und beurteilbar sind.
– Optimierbarkeit: Durch Anpassung verschiedener Parameter (Anzeigentexte, Werbemittelgestaltung, Umfelder, Click-Gebote etc.) kann die Effizienz der Kampagne noch während der Laufzeit beeinflusst und damit verbessert werden.
– Vernetzung: Performance-Marketing kann als Interaktionselement in eine klassische Kampagne integriert werden. Es bestehen intensive Wechselwirkungen z. B. zwischen Bekanntheit und Klickrate.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten:
Und genau damit steht und fällt die Entscheidung im Fall von SEO: Es geht also nicht bloß um eine Messbarkeit an sich, sondern um den Zusammenhang von Maßnahme und Wirkung, also Budget und Umsatz/Lead/etc. Das alles ist im SEO nicht gegeben.
Ausflug: Wie ist Performance Marketing entstanden?
Historisch gesehen ist Performance-Marketing aus dem Direkt-Marketing oder auch Dialog-Marketing entstanden.
So sprach beispielsweise Ogilvy & Mathers von „direct response advertising“, wenn eine gedruckte Anzeige (wie das Beispiel rechts) ein Direct-Response-Element in Form eines Formulars enthielt, dass vom Leser ausgeschnitten, ausgefüllt und eingeschickt werden konnte und damit eine direkte Zuordnung zur jeweiligen Anzeige ermöglichte.
Und genau hier sollte jedem klar, werden, dass dies für den Kanal SEO einfach nicht zutrifft.
Darum ist SEO kein Performance Marketing Kanal
Unter dem Begriff Suchmaschinenoptimierung, kurz SEO versteht man sämtliche Maßnahmen und Anstrengungen, die man unternimmt, um gefunden zu werden. Dabei zielen viele Maßnahmen im SEO sogar darauf ab, irgendwann, für irgendwas, hoffentlich gefunden werden und lassen sich einmal einem bestimmten Keyword oder einer Landingpage zuordnen.
Dank Googles Bemühungen rund um das Thema „not provided“ lassen sich Konversionen nicht mehr zu einzelnen Suchanfragen zuordnen. Erschwerend hinzu kommt, dass nur eine kleine Anzahl von Personen bei Google selbst die tatsächlichen Rankingfaktoren kennt und alle Maßnahmen im SEO im Prinzip auf der Analyse der Blackbox Google basieren. Daher ist selbst für datengetriebene SEOs unmöglich einen Zusammengang von Maßnahme zu Rankingveränderungen sauber nachzuweisen.
Man kann somit zwischen ausgegeben Budget und erreichten Erfolg keinerlei unmittelbaren Zusammenhang herstellen.
Wir messen im SEO zwar Kennzahlen wie Sichtbarkeit und Markenbekanntheit in Form von Brand-Suchanfragen und können Traffic und Konversionen in Summe über den Kanal SEO erfassen, sind aber niemals in der Lage einen Zusammenhang mit einer bestimmten konkreten Maßnahme oder Kampagne herzustellen, geschweige denn eine Kampagne granular auswerten und gezielt danach zu optimieren.
Ausrechnen kann man viel, dadurch wird es aber nicht richtig oder sinnvoll. Denn selbst wenn man den ROAS oder ROI von SEO berechnen wollte, was ich nicht für zielführend halte, nimmt man dann den gesamten Return des Jahres und alle SEO-Kosten? Oder nur das mehr an Return, dass vermutlich durch die Spendings in dem Jahr entstanden sind? Falls ja, was ist die Baseline? Was ist mit dem Brand-Traffic? Und welche Zeit gebe ich Maßnahmen, bis ich eine Wirkung unterstellen kann?
Fragen über Fragen … Ergo der falsche Weg. Besser man spart sich die Zeit und Mühen und misst lieber das, was man auch tatsächlich optimieren kann und will.
Wenn ein Kunde also für jede SEO-Maßnahme wissen will, was die KUR oder der ROI davon ist, begeht er/sie genau den Fehler, auf den ich mit diesem Artikel versuche aufmerksam zu machen:
Das wäre ja so, als würde man in einen weltweit gestreuten ETF investieren, aber nach den ersten 3 Monaten wieder alles verkaufen, weil es nicht mindestens 5% nach oben ging.
Man kann das Ganze sogar auf die Spitze treiben, um es wirklich für Jeden verständlich zu machen: Wenn eine Webseite rankt, kann man theoretisch das SEO-Budget auf 0 EUR setzen, also sämtliche Anstrengungen einstellen und bekommt (zumindest eine gewisse Zeit) trotzdem noch Traffic und Umsätze!
Das verdeutlicht, dass das Investment in den Kanal und der Return entkoppelt sind!
Kurz gesagt:
SEO ist strategisches Marketing
Ich halte diese Betrachtung sogar für schädlich, denn SEO nicht als nachhaltige Investition in die eigene Sichtbarkeit zu sehen ist häufig kontraproduktiv. Denn dabei wird nur auf kurzfristige Effekte geschaut, was zu nicht nachhaltigen Maßnahmen verleitet, die sich mittel bis langfristig sogar negativ auf die Sichtbarkeit auswirken können.
Es würde doch auch niemand auf die Idee kommen Content-Marketing als Performance Marketing zu bezeichnen, oder? SEO gehört damit, wie auch das Content-Marketing zum strategischen Marketing. Die Performance von SEO lässt sich nicht primär und unmittelbar über die Kosten steuern, da es sich überwiegend um Fixkosten handelt, ist eine schnelle und effektive Aussteuerung ist nicht möglich. Beim Performance Marketing kommt die granulare Analyisier- und Steuerbarkeit hinzu. Der ist bei SEO, Content Marketing, Branding und Co. nicht vorhanden.
Content-Marketing konzentriert sich auf die Erstellung und Verbreitung wertvoller, relevanter und konsistenter Inhalte, um ein klar definiertes Publikum anzuziehen, zu halten, und letztendlich profitables Kundenhandeln zu generieren.
Content Marketing Institute: What Is Content Marketing? (Quelle)
Aus meiner Sicht ist Suchmaschinenoptimierung eine Investition in die Sichtbarkeit der Webseite und muss damit mit den Werkzeugen des Brand-Marketings betrachtet, gemessen und bewertet werden.
Das wird noch offensichtlicher, wenn man bedenkt dass man ein Spitzenranking in einer Suchmaschine (Top-of-SERP) durchaus als Vorstufe zum „Top Of Mind“ gesehen werden kann, der die Marke innerhalb des Awareness Sets beschreibt, die vom Konsumenten beim Kauf präferiert wird. Das Gabler Wirtschaftslexikon schreibt zum „Top Of Mind“:
Voraussetzung für die Top of Mind-Situation sind eine klare Positionierung am Markt, um von der Konkurrenz am Markt unterscheidbar zu sein oder die Werbedominanz in der relevanten Produktkategorie.
Top Of Mind im Gabler Wirtschaftslexikon (Quelle)
Daraus lässt sich die Voraussetzung für den „Top Of SERP“ entsprechend ableiten und formulieren:
Die Gefahr falscher Budgetallokation
Aus meiner Erfahrung der letzten 10 Jahren in der SEO-Beratung führt die Betrachtung unter „Performance Marketing“ zu falschen Annahmen und Erwartungen. Denn wenn man als Entscheider, egal ob CMO, Marketing Leiter oder Performance Marketing Manager seine Budgets auf die Kanäle aufteilen muss, wird die Betrachtung von SEO unter Performance Marketing KPIs stets zu einer falschen Budgetallokation führen, da die Performance des Kanals SEO an den Erfolgen der kürzlich erfolgten Maßnahmen gemessen wird, die sich (im besten Falle) langfristig positiv auswirken.
Das ist aus meiner Sicht kontraproduktiv und wird dem Kanal SEO, als nachhaltiges Investment einfach nicht gerecht.
Häufig sieht die Sichtbarkeitsentwicklung dann so aus, wenn die Budgets und Ziele immer nur am aktuellen Quartal ausgerichtet werden:
Dabei werden die wirklich wichtigen, langfristig hilfreichen Themen nicht genug priorisiert und erhalten häufig garkein Budget. Statt dessen verfällt man in Mikromanagement und Aktionismus und baut ständig an Landingpages herum oder Backlinks auf, in der Hoffnung, kurzfristig etwas erreichen zu können.
In meiner Beratung versuche ich daher zu vermitteln, dass gut gemachtes SEO sich mittelfristig bezahlt macht und langfristig alles andere outperformt. Wer als Manager nur auf Quartalsziele schaut, hat es da schwer, also muss die Ebene darüber überzeugt werden, damit man größere Zeiträume betrachten und langfristig Sichtbarkeit entwickeln aufbauen kann. Echte Unternehmer fangen genau da an, Spaß am Kanal zu entwickeln und das sind dann häufig die Kunden, mit denen es mir am meisten Spaß macht, die SERPs zu rocken!
SEO is not easy – but a lot of fun if you do it right
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