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Warum Knowledge Graphen das Problem der Unverlässigkeit von KI-Anwendungen oft nicht lösen

Generative künstliche Intelligenz gewinnt immer mehr Einfluss auf unser tägliches Leben und zieht ebenso Stück für Stück auch in Suchmaschinen und andere Information Retrieval Systeme ein. Dabei stehen wir jedoch vor einer grundlegenden Herausforderung: Wie können wir sicherstellen, dass KI-Systeme zuverlässige und faktisch korrekte Informationen liefern?

Eine Möglichkeit das sogenannte Grounding über das Einbeziehen von Informationen aus einer Websuche über Googles eigene Grounding API zu realisieren, habe ich in meinem letzen Beitrag beschrieben.

Eine weitere oft diskutierte Lösung sind sogenannte Knowledge Graphen – komplexe Netzwerke von Informationen, die Beziehungen zwischen Entitäten darstellen. Doch während diese Technologie in bestimmten Bereichen brilliert, stößt sie in anderen an ihre Grenzen. Dieser Artikel beleuchtet die Potenziale und Limitationen von Knowledge Graphen im Kontext der KI-Zuverlässigkeit.

Die Stärke von Knowledge Graphen

Knowledge Graphen sind zweifellos leistungsfähige Werkzeuge, wenn es darum geht, komplexe Zusammenhänge zu erfassen und abzubilden. Ein klassisches Beispiel, das die Stärke dieser Technologie verdeutlicht, ist die Analyse von Unternehmensgründungen durch ehemalige Mitarbeiter großer Tech-Konzerne.

Stellen wir uns vor, wir möchten herausfinden, welche erfolgreichen Start-ups von ehemaligen Apple- oder Google-Mitarbeitern gegründet wurden. Ein gut strukturierter Knowledge Graph könnte diese Frage nahezu instantan beantworten, indem er Verbindungen zwischen Personen, Unternehmen, Positionen und Zeiträumen herstellt.

Diese Art von Analyse, die normalerweise aufwendige journalistische Recherche erfordern würde, kann durch einen Knowledge Graphen automatisiert und in Sekundenschnelle durchgeführt werden.

Die Stärke liegt hier in der Fähigkeit, disparate Informationen zu verknüpfen:

  1. Wer hat welches Unternehmen gegründet?
  2. Wie erfolgreich sind diese Unternehmen?
  3. Wo haben die Gründer vorher gearbeitet?
  4. Welche Positionen hatten sie inne und wie lange?

Durch die Verknüpfung dieser Datenpunkte können Knowledge Graphen komplexe Fragen beantworten und Muster aufdecken, die sonst verborgen blieben.

Die Herausforderung der Datengenerierung

Trotz ihrer offensichtlichen Vorteile stoßen Knowledge Graphen auf ein fundamentales Problem: Sie bauen sich nicht von selbst auf. Die Recherchearbeit, die normalerweise von Journalist:innen oder Wissenschaftler:innen geleistet wird, muss auch für den Aufbau eines Knowledge Graphen durchgeführt werden – und zwar mit der gleichen Sorgfalt und Genauigkeit.

Einige Unternehmen haben diesen Prozess perfektioniert. In Spezialbereichen wie der Medizin gibt es Firmen, die seit Jahrzehnten hochwertige und faktisch sorgfältig überprüfte Knowledge Graphen aufbauen. Diese wertvollen Datensammlungen werden nun für beträchtliche Summen an Unternehmen lizenziert, die ihre KI-Anwendungen damit „grounden“ – also mit einer verlässlichen Faktenbasis untermauern – wollen.

Der Aufbau solcher spezialisierten Knowledge Graphen ist jedoch ein zeitaufwändiger und kostspieliger Prozess. Er erfordert nicht nur technisches Know-how, sondern auch tiefgreifendes Fachwissen in den jeweiligen Domänen. Zudem müssen die Daten ständig auf ihre Aktualität und Richtigkeit überprüft werden, was den Prozess zusätzlich verkompliziert.

Der verführerische Einsatz von Large Language Models

Angesichts des enormen Aufwands, der mit dem manuellen Aufbau von Knowledge Graphen verbunden ist, erscheint der Einsatz von Large Language Models (LLMs) zur Automatisierung dieses Prozesses verlockend. Die Idee ist bestechend einfach: LLMs könnten unstrukturierte Texte analysieren, relevante Informationen extrahieren und daraus automatisch Knowledge Graphen generieren.

Ein vielversprechender, aber problematischer Ansatz: GraphRAG

Angesichts der Herausforderungen bei der Erstellung und Nutzung von Knowledge Graphen arbeiten Forscher intensiv an Lösungen, die die Vorteile dieser Technologie nutzen und gleichzeitig ihre Limitationen adressieren wollen. Ein Ansatz, der in diesem Kontext besondere Aufmerksamkeit erregt hat, ist GraphRAG von Microsoft Research.

GraphRAG baut auf der Technologie der Retrieval-Augmented Generation (RAG) auf, erweitert diese aber durch den Einsatz von LLM-generierten Knowledge Graphen. RAG ist eine Technik, bei der Informationen basierend auf einer Benutzeranfrage gesucht und als Referenz für eine KI-generierte Antwort bereitgestellt werden. GraphRAG geht einen Schritt weiter, indem es LLMs nutzt, um aus unstrukturierten Texten Knowledge Graphen zu erstellen und diese dann für verbesserte Antworten zu verwenden.

Dieser Ansatz bietet durchaus einige Vorteile:

  1. Verbesserte Kontextualisierung: Der GraphRAG-Ansatz verspricht, besser darin zu sein, „die Punkte zu verbinden“ und komplexe Zusammenhänge zu erfassen. Es kann Informationen aus verschiedenen Teilen eines Dokuments oder sogar aus mehreren Dokumenten kombinieren, um umfassendere Antworten zu generieren.
  2. Umgang mit privaten Datensätzen: GraphRAG wurde speziell entwickelt, um mit privaten Datensätzen zu arbeiten – also mit Informationen, die nicht im Trainingsdatensatz des LLMs enthalten sind. Dies macht es besonders interessant für Unternehmen, die ihre eigenen, proprietären Daten analysieren möchten.
  3. Thematische Analyse: GraphRAG zeigt sich besonders stark darin, übergreifende Themen und Konzepte in großen Datensätzen zu identifizieren. Dies verspricht ein tieferes Verständnis komplexer Informationssammlungen.

Kritische Betrachtung: Verschiebung statt Lösung des Problems

Trotz der vielversprechenden Aspekte von GraphRAG ist es wichtig, einen kritischen Blick auf diesen Ansatz zu werfen. Ein fundamentales Problem bleibt bestehen: Die Verwendung eines LLMs zur Erstellung eines Knowledge Graphen, der dann wiederum für das Grounding desselben oder eines anderen LLMs genutzt wird, verschiebt das Problem der Unzuverlässigkeit, löst es aber nicht grundsätzlich.

Der Kern des Problems liegt darin, dass das LLM in Microsofts GraphRAG-Ansatz dafür zuständig ist, die Informations-Tupel oder -Tripel aus unstrukturiertem Text zu extrahieren, um den Graphen aufzubauen. Dieser Prozess ist inhärent mit den gleichen Risiken und Schwächen behaftet, die wir bei LLMs generell beobachten:

  1. Fehleranfälligkeit: LLMs können Informationen falsch interpretieren oder Zusammenhänge herstellen, die in Wirklichkeit nicht existieren. Diese Fehler würden direkt in den Knowledge Graphen übernommen.
  2. Halluzinationen: Die Tendenz von LLMs, plausibel klingende, aber faktisch falsche Informationen zu generieren, könnte zu einem Knowledge Graphen führen, der nicht existierende Verbindungen oder Entitäten enthält.
  3. Bias und Verzerrungen: Vorurteile und Verzerrungen, die im Trainingsdatensatz des LLMs vorhanden sind, könnten sich in der Struktur und den Inhalten des generierten Knowledge Graphen widerspiegeln.
  4. Kontextuelle Missverständnisse: LLMs können den Kontext von Informationen missverstehen, was zu fehlerhaften Verknüpfungen im Knowledge Graphen führen kann.

Indem wir ein LLM verwenden, um einen Knowledge Graphen aufzubauen, und diesen dann für das Grounding eines (möglicherweise desselben) LLMs nutzen, schaffen wir einen potenziellen Teufelskreis der Fehlerfortpflanzung. Es besteht die Gefahr, dass Fehler oder Ungenauigkeiten im ursprünglichen Text durch das LLM in den Knowledge Graphen übernommen und dann durch den Grounding-Prozess weiter verstärkt werden.

Kai Spriestersbach

Dies bedeutet nicht, dass GraphRAG ohne Wert ist. Der Ansatz kann durchaus zu verbesserten Ergebnissen in bestimmten Anwendungsfällen führen, insbesondere wenn es um die Verarbeitung großer Mengen unstrukturierter Daten geht. Allerdings ist es entscheidend zu verstehen, dass GraphRAG das grundlegende Problem der KI-Zuverlässigkeit nicht löst, sondern lediglich auf eine andere Ebene verlagert.

Um wirklich zuverlässige KI-Systeme zu entwickeln, müssen wir weiterhin an Methoden arbeiten, die die Genauigkeit und Verlässlichkeit von LLMs grundlegend verbessern. Dies könnte die Entwicklung verbesserter Trainingsmethoden, die Integration von externem Faktenwissen oder die Kombination von KI mit menschlicher Expertise umfassen.

Gleichzeitig unterstreicht die Entwicklung von Ansätzen wie GraphRAG die Notwendigkeit für robuste Evaluierungsmethoden. Wir müssen in der Lage sein, die Qualität und Zuverlässigkeit von automatisch generierten Knowledge Graphen rigoros zu überprüfen und zu bewerten, bevor wir sie für kritische Anwendungen einsetzen.

Dieser Ansatz verspricht eine erhebliche Beschleunigung und Kosteneinsparung bei der Erstellung von Knowledge Graphen. Statt mühsam jede einzelne Information manuell zu überprüfen und einzupflegen, könnten LLMs riesige Textmengen in kurzer Zeit verarbeiten und strukturieren.

Das Dilemma der Verifizierung

Eine mögliche Lösung wäre, den KI-generierten Knowledge Graphen einer gründlichen manuellen Überprüfung zu unterziehen. Doch dies bringt uns zurück zum Ausgangspunkt: Der enorme Zeit- und Ressourcenaufwand, den wir ursprünglich durch den Einsatz von KI vermeiden wollten.

Dennoch könnte sich dieser Aufwand lohnen, wenn wir einen einmal verifizierten Knowledge Graphen für eine Vielzahl von Anwendungen nutzen könnten. Die Idee eines universellen, zuverlässigen Wissensfundaments für KI-Systeme ist zweifelsohne attraktiv.

Die Dynamik der realen Welt

Doch selbst wenn wir einen perfekt verifizierten Knowledge Graphen erstellen könnten, stoßen wir auf ein weiteres, fundamentales Problem: Die Welt steht nicht still. Informationen, die heute korrekt sind, können morgen schon veraltet sein. Menschen wechseln Jobs, Unternehmen fusionieren oder gehen bankrott, wissenschaftliche Erkenntnisse werden revidiert.

Ein Knowledge Graph ist daher niemals wirklich „fertig“. Er erfordert eine ständige Aktualisierung und Pflege, um mit der sich ändernden Realität Schritt zu halten. Dies stellt eine enorme logistische und finanzielle Herausforderung dar, insbesondere wenn wir von einem umfassenden, domänenübergreifenden Knowledge Graphen sprechen.

Knowledge Graphen als Teil der Lösung, nicht als Allheilmittel

Knowledge Graphen sind zweifellos ein mächtiges Werkzeug im Arsenal der KI-Technologien. Sie können komplexe Zusammenhänge abbilden und Erkenntnisse liefern, die sonst verborgen blieben. In spezialisierten Bereichen, wo die Datenmenge überschaubar und die Aktualisierungsrate handhabbar ist, können sie einen erheblichen Mehrwert bieten.

Doch als universelle Lösung für das Problem der KI-Zuverlässigkeit stoßen sie an ihre Grenzen. Die Herausforderungen bei der Erstellung, Verifizierung und kontinuierlichen Aktualisierung sind enorm. Der Einsatz von LLMs zur Automatisierung dieser Prozesse verschiebt das Problem der Unzuverlässigkeit lediglich, anstatt es zu lösen.

Die Zukunft liegt wahrscheinlich in einem hybriden Ansatz: Der gezielte Einsatz von Knowledge Graphen in Bereichen, wo ihre Stärken voll zum Tragen kommen, kombiniert mit anderen Technologien und menschlicher Expertise. Wir müssen akzeptieren, dass es keine einfache, universelle Lösung für das Problem der KI-Zuverlässigkeit gibt.

Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, die Grenzen und Möglichkeiten jeder Technologie zu verstehen und transparente Systeme zu entwickeln, die ihre Unsicherheiten klar kommunizieren. Nur so können wir KI-Systeme schaffen, die nicht nur leistungsfähig, sondern auch vertrauenswürdig sind.

Die Herausforderung der KI-Zuverlässigkeit bleibt bestehen, aber mit einem nuancierten Verständnis der verfügbaren Werkzeuge – einschließlich der Stärken und Schwächen von Knowledge Graphen – sind wir besser gerüstet, ihr zu begegnen.

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Kai Spriestersbach

Kai Spriestersbach

Kai Spriestersbach ist erfolgreicher Unternehmer und digitaler Stratege mit einem Master-Abschluss in Web Science. Er ist Inhaber von AFAIK und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Aufbau und der Optimierung von webbasierten Geschäftsmodellen. Als einer der erfahrensten Search Marketing Experten im deutschsprachigen Raum hat er mehr als 25 Vorträge auf SEO- und Online-Marketing-Konferenzen in Deutschland und Österreich gehalten. In den letzten Jahren hat er sich intensiv mit Large Language Models beschäftigt und sich als Experte für die Textgenerierung mit Hilfe künstlicher Intelligenz etabliert. Seine Karriere begann er mit einer Ausbildung zum Mediengestalter (IHK), bevor er den Bachelor of Science (B.Sc) in E-Commerce absolvierte. Anschließend erwarb er den Master of Science (M.Sc) in Web Science und forschte an der RPTU im Bereich angewandter generativer KI.

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